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Blick-Wechsel
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"Ein erhöhter Ausblick über eine Stadt schafft einen Überblick, eine scheinbare Ordnung. Dieser panoptische Blick organisiert Räume, ermöglicht Kontrolle, repräsentiert Macht und führt Regie. Zwischen den Häusern, eingelassen in eine urbane Topographie befindet sich jedoch ein Raum unzähliger kleiner Bewegungen, mit Geschichten, Erinnerungen des alltäglichen Lebens. Diese beiden Betrachtungsweisen, die großen Gesten des panoptischen Blickes und die alltäglichen Erzählungen auf "Fusshöhe" überlagern und durchdringen sich und prägen somit zum einen das Stadt-Bild und zum anderen das Stadt-Leben.
Mit der Arbeit Silent Stories, verbinde ich genau diese beiden Standpunkte, den panoptischen Blick organisierter Räume mit den Nebensächlichkeiten des Tagesgeschehens. Von der Distanz zur Unmittelbarkeit, bewegter Raum ist gelebter Raum. In der Fotografie sind Bildinformation und Bildgehalt niemals zur Gänze dem Zufall überlassen. Bei nachträglicher Betrachtung des unbewegten Bildes findet man, im Moment der Fotografie nicht wahrgenommene Details und Gesten. Dieser suchende aber auch wertende Blick führt durch die Videoanimation. Die Kamera hat einen fixen Standpunkt und Fokus, mit Blick auf den Vorplatz der Zentralbücherei. Die seriell geschossenen Fotos dokumentieren das Geschehen auf dem Platz. In der animierten Videosequenz folgt, wie bei einer Diaschau ein Bild dem anderen, wobei in der Animation der Überblick teilweise aufgegeben wird und sich der Fokus auf die Suche nach dem Besonderen macht. Die Szenerie bekommt so ihren eigenen Rhythmus. Gewählte Ausschnitte und offene Übergänge zwischen statischen und bewegten Bildern, gestalten die Suche nach versteckten Beziehungen und flüchtigen Erzählungen."
Michel de Certeau schreibt in "Praktiken im Raum": Das Überblicken gerät zum Übersehen; das über den Dingen schwebende Auge ist blind für die kleinen Veränderungen und Bewegungen in Zeit und Raum, für die Zufälle flüchtiger Begegnungen, unbequemer Umwege, glücklicher Fügungen, kurz: für die unaufhebbaren Spannungen, die der Urbanität inhärent sind und für eine sich stets erneuernde Fremdheit sorgen. Die Stadt erscheint darin unrein, diskontinuierlich, vielfältig und unkontrollierbar. Sie artikuliert sich in der räumlichen Praxis der Fußgänger, in deren mehrdeutiger Rhetorik des Gehens. Diese Praxis sei weder sichtbar noch lesbar, sie könne weder in Bildern festgehalten, [...] noch in einem Text umschrieben werden, weil sie selbst aufgrund ihrer Bewegung den städtischen Text schreibt: vielfältige Geschichten ohne Autor oder Zuschauer. Dem lesenden Sehen des panoptischen Blicks ist so das schreibende Gehen der Passanten entgegengesetzt.
(Quelle: http://www.jutta-strohmaier.net/installations/silent_stories.php)