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Blick-Wechsel
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Transit thematisiert anknüpfend an das Lied „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ von Fritz Hollaender das räumliche Konstrukt von innen und außen, privatem und öffentlichem Raum. Die Künstlerin Ulrike Johannsen singt dieses Lied in ihrem Atelier und spielt dazu auf Ihrem Akkordeon. Der Liedtext beschreibt den Menschen als in die Welt geworfenes, ortlos im Transit befindliches Wesen, nachts einsam und melancholisch unterwegs, sehnsüchtig und ausgeschlossen aus dem sozialen Raum des Privaten.
„…Man hat uns nicht gefragt, als wir noch kein Gesicht Ob wir leben wollten oder lieber nicht…“
„…Ich schaue in die Stuben durch Tür und Fensterglas Und ich warte und ich warte auf etwas…“
In nächtlicher Dunkelheit nähert sich die Kamera dem Atelier von der Straße heran. Dabei wechselt sie zwischen innen und außen, filmt alternierend von außen und innen durch das Fensterglas. Das Gelb der Innenbeleuchtung kontrastiert mit dem Blau der Nacht. Die Musik taucht aus den Geräuschen der Straße auf, die Kamera verweilt im Atelierraum, zeigt die auf dem Akkordeon spielenden Hände und tanzt zur Musik. Nach dieser Begegnung mit der musizierenden Künstlerin wird die Musik wieder leiser, die Kamera ist zurück auf der Straße, Menschen passieren einen Ford, Modell Transit. Der kurze Besuch im Atelier ist vorüber. Zurück auf der nächtlichen Straße stellt sich die Frage: War man wirklich im Atelier, oder wurde eine Sehnsucht zum Bild. Die Musik ist nicht mehr zu hören.
Das Lied entstand 1931 und thematisiert unter anderem die schon lange von Rassismus und Verfolgung geprägte politische Situation in Deutschland. „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ transportiert in den Textzeilen sowie der Melodie das Lebensgefühl der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Situation des ortlosen im transitorischen befindlichen Individuums ist leider nach wie vor und in zunehmendem Maße aktuell.
Haus und Straße des Drehortes sind Architekturen des „roten Wien“ im 15. Gemeindebezirk und stammen aus derselben Zeit wie das Lied. Damals entstanden hier von der sozialdemokratischen Stadtregierung Wiens in Auftrag gegebene Architektur-Utopien. Beispielhaft der „Heimhof“, der eine Gemeinschaftsküche besaß, in der Angestellte für die Bewohnerinnen kochten, um berufstätigen Frauen die Hausarbeit zu erleichtern. Das Projekt wurde von den Nationalsozialisten funktionell aufgelöst und die sozialdemokratischen und jüdischen Bewohner*innen delogiert.
Das Video Transit entstand in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Ulrike Johannsen als Teil einer Rauminstallation und Ausstellung. Die von Ulrike Johannsen entwickelten Elemente und Skulpturen waren gleichzeitig Teile des Videosettings und der Ausstellung. Ausstellungsraum und Drehort waren identisch.
Stefan Lux, 2022
© Stefan Lux