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Blick-Wechsel
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Jede Reise ist ein Experiment: der Versuch irgendwo anzukommen. Im schmutzverschlierten Fenster liegen Himmel und Landschaft, wehen Bäume, Häuser, Masten vorbei. Sanft wiegt sich und schaukelt der Zug im Rhythmus der Schwellen, ein rollendes Zuhause behaglich für Stunden oder Tage. Hinter schlagenden Türen, Türen und Türen von Waggon zu Waggon, die Abteile sind offen.
266 Kilometer und sechs Stunden lang von Lemberg im ehemaligen Galizien nach Czernowitz in der Bukowina geht die Reise. Männer mit nackten Oberkörpern betten auf, draußen ist Tag. Es wird gesessen, geredet, geschaut, gegessen, gelesen, geschlafen, es wird ein- und ausgestiegen, im gemächlichen Takt sich ablösender Bahnhöfe. Habseligkeiten werden gehoben, geschoben, gezogen und verstaut. Der ukrainische Reisekapitän versucht zu erzählen über die Mafia, Austria, Ukraine, Karpaten - die Zuhörenden können kein Ukrainisch, niemand versteht.
Das Reiseziel, Czernowitz, war einst Zentrum jüdisch-deutschsprachiger Kultur, Heimat von Paul Celan und Rose Ausländer, die Stadt der Bücher, auch Kleinwien des Ostens genannt, mit Austriaplatz und Austria-Statue, Hauptstadt der Bukowina, später dann Teil Rumäniens, dann Russlands und seit 1991 der Ukraine. Czernowitz, das in vielen österreichischen Ohren doch irgendwie noch so vertraut klingt, liegt in der Ukraine, die im Bewusstsein weit weg ist. Bronislav Tutelman, Jude, Künstler, Wodkatrinker, Kind dieser Stadt spricht über seine optimistische Vision der Annäherung. Jede Reise ist ein Experiment: der Versuch irgendwo anzukommen. Der Ausgang ist ungewiss.
(Quelle: http://www.bernadettehuber.at/video.htm)