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Blick-Wechsel
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"The development of Fine Arts in the last decades has resulted in a pluralism that shows everything to be relative. It makes everything possible at any moment, and does not allow critical, well-founded judgment", lässt uns Herr Meneutik in dezent austrianisch akzentuiertem Englisch und mit vor Nachdenklichkeit strotzender Miene mitten im sicht- und hörbaren Verkehrsgetriebe einer Wiener U-Bahn-Station wissen. So beginnt Michael Endlichers Video Herr Meneutik #2 (2011), in welchem der Protagonist an insgesamt zwölf Stationen im öffentlichen Stadtraum Wiens Statements obiger Art von sich gibt, die vor allem um das Dilemma des postmodernen (Künstler- bzw. Kunstkritiker)Subjekts auf der Suche nach seiner Wahrnehmung beziehungsweise nach verbindlichen Werten und objektivierbaren Kriterien zur Positionierung seines Schaffens (und somit auch seiner Identität…) kreisen. Die Lage ist ernst für die Kunst und die Künstler, das erkennt Herr Meneutik ganz ohne Lamento sehr scharfsinnig-realistisch, und dieser Ernst der Lage scheint sich zugleich auch in seiner Isolation als (englisch) Redender inmitten eines (wiener) urbanen Kultur- und Gesellschafts-Ambientes zu manifestieren.
Gibt es dennoch ein „Happy End“ in diesem Monodram? In seiner letzten Szene spricht und blickt uns Herr Meneutik nicht wie zuvor direkt an, sondern zeigt sich gemeinsam mit einem ihn frontal aufnehmenden Tonmann aus der seitlichen Perspektive einer Beobachterposition. Immerhin also nimmt ihn, den Kritiker-Künstler, hier sichtlich jemand auf und damit wahr, womit seine ''Objektivierung'' nun doch gewährleistet erscheint. Allein, der Herr Meneutik decouvriert sich in diesem letzten Videoshot, mönchartig verkuttet zwar, primär als (drehbuchtextbewehrter) Selbstdarsteller, dem trotz aller Öffentlichkeit seiner Bühne niemand zuschaut oder -hört außer eben sein Videograf, welcher dies jedoch ganz offenbar allein zum Zweck der Filmaufnahme tut. So wird die Rede des monologisierenden Akteurs aus dem öffentlichen Stadtraum denn doch (als Videokunststück eben) zurückdelegiert an den Kunstraum als einzige Station ihrer möglichen Rezeption, gilt doch außerhalb desselben für die Wahrnehmung von Kunst, was Herr Meneutik ohnehin schon zwischendurch – genau: am Heldenplatz – konstatiert hatte: ''The actual social context, the beholder and the audience, are either permanently vanishing or simply missing.''
Der Kunstraum allein also verspricht das ''Prinzip Hoffnung'' der Kenntnisnahme kunsträumlichen Redens in der Art unseres Protagonisten, nur dort wird solche Rede-Performanz als Kunst und deshalb als sehens- und hörenswert erachtet – dies umso mehr, wenn die Diktion der Rede mit den Sprachgewohnheiten des Kunstraums konveniert. So geht Herr Meneutik gleich auf Konto sicher: nichts von dem, was er spricht, entstammt seiner eigenen Feder (was er uns freilich tunlichst verheimlicht), jeder einzelne seiner Sätze ist ein Zitat aus publizierten Texten zur Kunst dritter, kunstraumseitig autorisierter AutorInnen. Des Herrn Meneutiks zwölfteiliges Reden ist daher nicht mehr und nicht weniger als ein Sample kunsträumlicher Reflexionen zur Kunst. Als Video echot es schließlich von den Wänden des Kunstraums, wo es gezeigt wird, zurück in denselben, das heißt zu dessen Publikum – die Fahrgäste der U-Bahn hingegen, auch wenn sie (als ''Statisten'') selbst Teil des Kunstwerks sind, werden wie vor den Türen der abgefertigten Züge im U-Bahnschacht auch vor den Türen des Kunstraums ''zurückbleiben'', selbst wenn jene geöffnet sind.
(Lucas Gehrmann)