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Blick-Wechsel
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Die beiden Videoarbeiten Atem und Wach auf sind für Franz Wassermann persönliche Dokumente des Sterbens. Eine Projektionsfläche zeigt auf der einen Seite stark vergrößert das Detail eines geöffneten Mundes, der stoßartig atmet, zunächst sehr scharf und dann zunehmend unscharf. Mit der Schärfe verschwindet gewissermaßen die Lebendigkeit, die Kontur verwischt. Auf der gegenüberliegenden Seite derselben Projektionsfläche sieht man dieselbe Person verstorben. Das Gedicht ''Wach auf'', mit dem die Enkelin ihren Großvater auffordert aufzuwachen, stellt die Verbindung zwischen Schlaf und Tod her. Es wirkt wie ein universelles Toten-Ritual, das den Zustand des Sterbens euphemistisch verklärt und verarbeitet, so, als läge die Entscheidung des Weiterschlafens in der Hand des Schläfers.
Diese Situation lässt sich nicht inszenieren, sie ist auch kein Schnappschuss, sondern die Entscheidung des Künstlers für die bedingungslose Dokumentation wesentlicher Lebensabschnitte, die damit noch einmal gezeigt werden und nicht verloren gehen. Die Dokumentation scheint ebenso von Trauer gekennzeichnet, wie von Entfremdung und Selbstbefreiung. Sein Abschied vom Vater erinnert an Peter Weiß' Buch ''Abschied von den Eltern'', in welchem er schreibt: ''Die Trauer, die mich überkam, galt nicht ihnen, denn sie kannte ich kaum, die Trauer galt dem Versäumten, das meine Kindheit und Jugend mit gähnender Leere umgeben hatte. Die Trauer galt der Erkenntnis eines gänzlich missglückten Versuchs von Zusammenleben…''
Neben der sehr privaten Erzählung thematisiert die zweiteilige Videoarbeit das, was Peter Weiß als ''Portalfigur'' in seinem Leben bezeichnet, nämlich den Vater, dessen Darstellung im Video gewissermaßen zur Ikone geworden ist, zur existenziellen Verbindung zwischen dem Betrachter und dem Dargestellten. Durch den Ausschnitt und durch die Überschaubarkeit der Szene entsteht eine unmittelbare Beziehung zwischen Bild und Betrachter.
(Quelle: www.mylivingroom.org, Text: Documenta XII - Gott hat sich selbst umgebracht von Dr. Hannah Stegmayer)